Bergbaugeschichte zum Greifen nah

von Sylva-Michèle Sternkopf | Fotos: Manuela Hamburg


Betritt man den Schauraum in der Werkstatt von Siegfried Werner, fühlt man sich wie in einem Museum für die Geschichte des sächsischen Bergbaus. Unter einer Glashaube erstreckt sich auf mehr als fünf Metern Länge der Fürstenzug, der alle sächsischen Herrscher seit Ende des 12. Jahrhunderts darstellt. An zweiter Stelle reitet Otto der Reiche, dessen weisen Entscheidungen der Reichtum des Sachsenlandes zu verdanken war: Er machte die Silberstadt Freiberg zu einem »freien Berg«, wo sich der Bergbau frei entfalten konnte. Er ernannte Leipzig zur Handelsstadt, wodurch Sachsen eine zentrale Stellung im europäischen Handel einnahm. Und er gab den Bergleuten eine eigene Zunft – eine wertvolle Würdigung ihrer schweren Arbeit untertage, die ihre Selbstachtung und Zufriedenheit weitaus stärker beflügelte als in anderen Bergbauregionen der Welt.

Zusammenhänge wie diese zu erschließen ist Siegfried Werner Anliegen und Ansporn zugleich. Jede Figur, die er fertigt, steht in einem geschichtlichen Kontext, den er gern und unterhaltsam erzählt. »Manchmal drücken sich in diesem kleinen Raum 25 Schulkinder die Nase an den Glasvitrinen platt«, erzählt er lachend. »Und der Lehrer wundert sich, warum sie eine Stunde lang mucksmäuschenstill sind.« Auch der ehemalige sächsische Landesvater Kurt Biedenkopf besuchte schon mehrmals Werners Werkstatt, und wenn der Prinz von Wettin kommt, ist die sächsische Geschichte zum Greifen nahe.

Zehn Jahre lang arbeitete Siegfrieds Vater Walter am Werner’schen Fürstenzug. Vor über 20 Jahren übernahm Siegfried Werner die 1957 gegründete Werkstatt des Vaters, der sich auf die kunsthandwerkliche Darstellung historischer Bergmannsfiguren spezialisiert hatte. »Mein Vater hat das Bergbauthema schon immer geschätzt«, erzählt Siegfried Werner. »Oft wurde er gefragt, ob er selbst einmal Bergmann gewesen sei, so authentisch war sein Auftreten und so tiefgründig sein Wissen. Wenn ich abends in der Werkstatt sitze und etwas Neues entwerfe, frage ich ihn in Gedanken oft um Rat.«

Heute umfasst das Sortiment von Siegfried Werner über 600 Figuren, hauptsächlich Bergleute aus verschiedenen Jahrhunderten. Darüber hinaus schuf er auch einen historischen Bäckeraufzug, den Freiberger Gelehrtenzug und einen Metzgerumzug zum 500-jährigen Salzburger Innungsjubiläum. Werner versteht sich in seiner Arbeit als ein Teil vom großen Ganzen. »Ich bin sehr dankbar, dass ich in unserem Ort an den Kreationen der Volkskunst teilhaben darf.«

Das Wunderbare an Seiffen, diesem Dorf mit über 100 Holzkunst-Handwerksbetrieben, ist für ihn, »dass jeder seine eigene Handschrift hat – ein Können, mit dem er Geschichte schreibt.« In die Geschichte eingegangen ist das Erzgebirge erst kürzlich mit der Ernennung zum UNESCO-Welterbe, worauf Siegfried Werner sehr stolz ist. »Das Welterbe soll vom Erzgebirge aus in die Welt strahlen«, so seine Hoffnung, »weil die Region Ermutigung braucht«. Er wünscht sich, dass »wir alle erkennen mögen, dass unsere Verschiedenheit uns nicht trennt, sondern verbindet«.