Der Instrumentenbauer von Seiffen

Der Bau von Musikinstrumenten ist landläufig eng mit dem Vogtland verbunden. Doch André Uhlig aus Seiffen stattet gleich ganze Orchester mit Instrumenten aus – wenn auch eine Nummer kleiner als die Kollegen aus dem Vogtland.


Text: Sylva Sternkopf | Fotos: Manuela Hamburg


Routiniert legt sich André Uhlig sein Arbeitsmaterial zurecht: Null-Achter-Messingdraht, eine Lehre zum Abmessen der Länge, einen alten Seitenschneider, eine Rundzange. Und dann geht es los – so schnell, dass wir seinen Handgriffen kaum folgen können. Draht an die Lehre anlegen, Länge abmessen, Draht abknipsen, die erste Biegung nach Maß übers Lehrenbrett knicken und dann den Draht um die Rundzange wickeln – einmal, zweimal, dreimal, links herum, rechts zurück, auf halbem Weg nochmal um die Zange gebogen, noch eine doppelte Rundung ganz oben, fertig. Zum Schluss wird noch der gedrechselte Schall oben aufgesteckt, und schon ist das Bariton-Horn komplett. »Alles, was wir selber können, machen wir bei uns im Haus«, erklärt der hochgewachsene Mann mit den langen Beinen, die ihm sogar schon einen dritten Platz bei den Deutschen Seniorenmeisterschaften im Ski-Slalom einbrachten.

So flink wie seine Beine sind auch seine Finger – schon hat er die nächsten drei Baritonhörner fertig gewickelt. Doch André Uhlig kann noch viel mehr Instrumente bauen: Waldhörner und Posaunen, Trompeten und Triangeln, alles aus Messingdraht gebogen. Auch Ornamente fürs Glockenspiel, Fiedelbögen für Violine und Cello, Trommelstäbe und Dirigentenstöcke entstehen aus dem hauchdünnen Material. Den Biegeplan für alles hat der 46-Jährige im Kopf.

Doch wozu werden die ganzen Instrumente eigentlich gebraucht? »Natürlich fürs große Engelorchester«, schmunzelt der vielseitige Handwerker und führt uns in sein Musterzimmer. Dort stehen sie, fein aufgereiht in Reih und Glied: seine musizierenden Engelchen. Mehr als 700 spielen in Uhligs großem Orchester – mit roten oder blauen Flügeln, mit weißem Rock oder natur, schwebend, stehend oder sitzend, und auch in verschiedenen Größen. Die himmlischen Musikanten beherrschen selbst die verrücktesten Instrumente: Sie spielen Dudelsack und Didgeridoo, E-Gitarre und Mandoline, Alphorn und Gemshorn.

Was die Instrumente aus der Uhlig’schen Werkstatt auszeichnet, ist die wunderschöne, detailreiche Bemalung. Das Alphorn ist mit Blütenornamenten verziert, das Didgeridoo mit exotischen Mustern. Bei den Streich- und Zupfinstrumenten ist jede Saite einzeln aufgemalt, hauchfein, nur wenige Millimeter stark. Die E-Gitarre sieht so echt aus, als könnte man wirklich darauf spielen.

Diese Liebe zum Malen hat Mutter Karin in die Firma eingebracht. Karin Uhlig, heute 72 Jahre alt und noch immer eine wertvolle Stütze in der kunsthandwerklichen Produktion, hat ihr Handwerk von der Pike auf beim berühmten Seiffener Gestalter Hans Reichelt gelernt. Schon in ihrer Lehrzeit durfte sie sich als Gesichtsmalerin beweisen – eine große Ehre, die fürwahr nicht jedem zuteil wird. Zusammen mit ihrem Mann Frieder begann sie, in der eigenen Werkstatt wunderschöne Ostereier aus Holz zu bemalen. »1980 waren wir zusammen im Urlaub, haben Blumen gesammelt und gepresst. Die Blütenmotive waren die Inspiration für die Bemalung unserer Eier«, erzählt die fröhliche Frau.

Die Ostereier sind noch heute unverändert im Sortiment. Bemalt werden sie noch immer von Karin Uhlig. Doch nach der Wende waren Ostereier auf einmal nicht mehr besonders gefragt. Die Uhligs wandten sich an Hans Reichelt, und dieser erinnerte sich an eine ganz alte Figur, von der er noch eine Zeichnung besaß. Wahrscheinlich, so sagte er, sei dies einmal ein Musikantenengel gewesen. In Anlehnung an Muster aus Karin Uhligs Lehrzeit überarbeiteten sie gemeinsam den alten Entwurf. Eigentlich sollten Blumenkinder daraus entstehen. Doch als die Entwürfe dann endlich fertig waren, war es schon September – »da bekamen die Figuren einfach ein Instrument in die Hand, und so waren es eben Musikantenengel geworden«, erinnert sich André Uhlig schmunzelnd. Was 1990 mit Mandoline, Trompete, Flöte und Triangel begann, hat sich heute zu einem der stattlichsten Engelorchester des Erzgebirges entwickelt. Siebenundfünfzig Instrumente beherrschen Uhligs Engel aktuell – und die Ideen gehen André Uhlig noch lange nicht aus. Bildunterschriften: Bilder 5– 6: Ein Blick in die Schublade fördert die ganze Vielfalt der Uhlig’schen Instrumentenbaukunst zu Tage. Bild 7: Mit geschickter Maltechnik wird den Ostereiern ein frühlingshaft-leichtes Flair verliehen. Bild 8: Beim Zuschnitt der kleinen Teile an der Kreissäge ist Fingerspitzengefühl gefragt.